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Sagen
wir es gleich rund heraus: Der Titel ist eine Frechheit.
Wer angesichts der Verheerungen unserer Lebensweise die Verdoppelung unseres
Wohlstands als erstrebenswertes Ziel verkündet (oder verkünden läßt),
hat kaum etwas von dem begriffen, was im letzten Vierteljahrhundert diskutiert
wurde, seit Rachel Carsons »Stummem Frühling« und Konrad
Lorenz' »Zehn Todsünden der Menschheit«. Über das Weltbild,
das solchen Wirklichkeitsverlust begründet, sei später gerätselt. Hübsch eingepackte Zettelkiste Bei Herstellung
und Vermarktung dieses Buches litt nicht nur die Seriosität, sondern
auch die Gründlichkeit. Äußeres Indiz dafür ist der eng
bedruckte Korrekturzettel, den der Verlag dem Rezensenten mitliefert - Begründung
: »Durch Hektik bei den Autoren verursacht, hat die Schlußkorrektur
gelitten.« Ob es auch diese eingestandene Hektik war, die das Buchprojekt
in eine hübsch eingepackte Zettelkiste verwandelt hat, weiß ich
nicht. Sicher ist nur, daß es sich um ein Sammelsurium von ökotechnischen
Ideen handelt, von denen die meisten höchstens im Detail neu sind und
die von nicht minder unsortierten allgemeineren Darstellungen eingerahmt werden. Rase weiter so, Deutschland An erster Stelle
ihrer Beispielliste überraschen uns die Autoren mit dem derzeitigen Lieblingsthema
der Umweltdiskussion hierzulande, dem Soundsoviel-Liter-Auto. Folgt man Amory
B. Lovins, dann ist die Drei-Liter-Variante eine olle Kamelle, weniger als
zwei Liter, das »Hyperauto« gar, seien heute schon möglich.
Das wird einen niedersächsischen Ministerpräsidenten womöglich
animieren, auch noch das Rechtsfahrgebot auf deutschen Autobahnen zur Disposition
zu stellen, nach dem ihm drei Liter Diesel schon ein Tempolimit wert waren.
Aber es ändert nichts an der ökologischen Verheerung durch den Autoverkehr.
Schon heute gibt es bezahlbare Autos, die an der Vier-Liter-Marke nur knapp
vorbeischrammen, aber kaum einer kauft sie. Und so entpuppt sich das ganze
Theater um das »Öko-Auto« als die Kehrseite von Rase weiter
so, Deutschland, am liebsten in der S-Klasse. Nährwerte von Sparlampen Da wird allen
Ernstes eine Prognose referiert, so um 2005 herum würden Neuwagen nur
noch von Hybridmotoren angetrieben. Diese Behauptung ist schon für den
hochindustrialisierten Norden die Rechnung eines autonärrischen Milchmädchens.
Im Anblick des größten Automarkts der Zukunft - China! - ist sie
aber nur Beweis einer wahrhaft monströsen Ignoranz, eines Balkens im
Auge, wie er dicker nicht sein könnte. Jede von unseren Autoherstellern
lärmend gepriesene Spriteinsparung werden diesselben Autohersteller ein
paar tausend Kilometer weiter in Makulatur verwandeln. Jede zehn Prozent weniger
hier werden sie auf dem asiatischen Autoweltmarkt von morgen mehr als hundertprozentig
wegproduzieren. Reichtum und Armut Stünde statt
des obszönen Titels über dem Buch »Otto-Katalog 2005«,
dann wüßten wir, woran wir wären. Wenn neue Techniken Energie
einsparen und die Umweltverschmutzung verringern, wer sollte dagegen wettern?
Wer aber glaubt, mit neuen Techniken und durch Wohlstandsvermehrung die Welt
retten zu können und dabei auch noch ordentlich zu verdienen, sitzt einem
weiteren Denkfehler auf. Er besteht im arithmetischen Blick auf unsere Welt,
in der ein Zuwenig durch ein Mehr ausgeglichen werden soll. Es gibt für
die meisten Menschen ein Zuwenig an Wohlstand, und dieser Mangel muß,
so sagt das arithmetische Weltbild, durch Steigerung ausgeglichen werden.
Armut und Not wachsen auch bei uns, aber sie beherrschen, alles Vorstellbare
übertreffend, vor allem die Dritte Welt. Dort leben fast achtzig Prozent
der Menschheit. Eine knappe Milliarde hat nicht einmal genug zu essen. Zig
Millionen verrecken elend, weil sie gar nichts zu essen haben. Gleichzeitig
aber gibt es ein Zuviel an Wohlstand, gibt es absurden Reichtum und eine Lebensweise,
die die globale Öko-Bilanz längst überzogen hat, wie Treibhauseffekt
und Ozonlöcher sinnfällig dokumentieren. In der Geschichte des Nordens
und des Südens hat die unaufhörliche Steigerung des Wohlstand nur
das weltweite Elend wachsen lassen. Im »goldenen Jahrzehnt« der
Industriestaaten, den achtziger Jahren, fiel ein Großteil der Welt wohl
endgültig in den Orkus.
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