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Christian v. Ditfurth
Wrangelstr. 91
10997 Berlin
Tel.: (030) 65006136
Fax: (030) 96601198
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Aus Rezensionen
über "Mit Blindheit geschlagen":
"Mehr als einmal fragt sich Stachelmann, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ihn vor Jahren eine anmutige Staublunge heimgeholt hätte. Das aber wäre für ihn und anspruchsvolle Krimileser wie uns ausnehmend schmerzlich gewesen."
Die Welt
"Schnell ist man hierzulande mit Etiketten wie 'der deutsche Mankell' bei der Hand ... Abgesehen davon, dass sich mit dem Ditfurth-Stoff die Nächte ebenso trefflich kürzen lassen, wird man dem Autor damit nicht gerecht. Seine Figur ist unverwechselbar."
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
"Ein kenntnisreich erzählter, süffig geschriebener, atmosphärisch starker Kriminalroman"
Deutsche Welle
"Reihum glänzende Kritiken"
Darmstädter Echo
"Mit seinem Stachelmann hat Ditfurth der deutschen Krimiszene einen Charakter geschenkt, der sich hoffentlich oft in den Gespinsten deutscher Vergangenheit verfängt."
Kieler Nachrichten
"Auch in seinem zweiten Stachelmann-Krimi zeigt sich von Ditfurth als einer der besten deutschen Krimiautoren."
Max
"Dieser unfreiwillige Ermittler und sein Autor gehören zum Besten, was die deutsche Krimilandschaft derzeit zu bieten hat."
Nordkurier
"Der muffelige Geschichtsprofessor ist mir irgendwie ans Herz gewachsen."
Brigitte
"Dieser Krimi ist intelligent, mit Rückblenden und Schnitten geschickt aufgebaut und sehr, sehr spannend."
Lübecker Nachrichten
"Was Josef Maria Stachelmann zutage fördert, wirft ein helles Licht auf das, was bisher im Dunkeln blieb."
Badische Zeitung
"Ausgesprochen gut recherchiert, unterhaltsam geschrieben und spannend. ... Das Szenario erscheint erschreckend real."
NDR Info
"Wir lesen, und sofort werden wir in die Handlung gesogen; die Spannung steigt, ... und am Schluss werden alle Fäden entwirrt, logisch überzeugend."
Gießener Allgemeine
"Der wohl sympathischste und glaubwürdigste Ermittler, der derzeit auf dem deutschen Krimimarkt zu haben ist"
amazon.de
"Das Finale ... schreit nach Verfilmung."
Sächsische Zeitung
"Der Krimi fesselt einen so sehr, dass man ihn gar nicht mehr aus der Hand legen möchte."
dpa
"Stachelmanns zweiter Fall ... zeigt: Beim Krimi lohnt Umsteigen auf deutsche Autoren!"
Buchmarkt
"Dieser ungewöhnliche Krimi besticht durch eine exzellente Dramaturgie."
Buchrezensionen online
"Eine spannende und schlüssige ... Geschichte, wie sie nur in Deutschland spielen kann."
Kölner Stadtanzeiger
"Ein böses Sittengemälde aus Deutschland."
Der Standard (Wien)
"Beklemmendes historisches Kolorit"
Zofinger Tagblatt/ Mittelland-Zeitung (Schweiz)
Aus Rezensionen
über "Mann ohne Makel":
"Ein packender Krimi, der zeigt, dass deutsche Autoren mit deutschen Themen bestens gegen internationale Konkurrenz bestehen können."
Focus
"Ein erstklassiger Roman"
Brigitte
"Ein höchst intelligenter, spannender und lesenswerter Krimi"
WDR 4 Radio
"Wünscht man sich also noch mehr Fälle für Josef Maria Stachelmann."
Die Welt
"Wallander ... hinterlässt eine schmerzende Lücke bei Krimilesern. Vielleicht aber gibt es Trost. Der kommt aus Hamburg, heißt Josef Maria Stachelmann und ist Historiker."
NDR Fernsehen
"Vielleicht macht gerade diese Mischung aus Menschen- und Geschichtskenntnis das Buch vom 'Mann ohne Makel' so unterhaltsam und spannend zugleich."
WDR 2 Radio
"Virtuos verwebt"
Südkurier
"Ein deutscher Thriller vom Feinsten"
Wilhelmshavener Zeitung
"Superspannend"
Rheinische Post
"Deutschlands Antwort auf Henning Mankell"
playboy
"Eine packende Geschichte!"
Hamburger Abendblatt
"Lässt ... auf weitere Ermittlungen dieses auf sympathische Weise zerknitterten Historikers in der Rolle des Amateurdetektivs hoffen."
NDR Radio 3
"Hohes Suchtpotential"
Saarbrücker Zeitung
"Spannende Krimi-Geschichte"
Hannoversche Allgemeine
"Grausam genug, dass das spannend sein kann"
Badische Zeitung
"Angenehm ist es, im Leben oder im Buch einen Menschen zu finden, den man auf Anhieb sowohl interessant als auch sympathisch findet."
Sächsische Zeitung
"Mit dem stets vom privaten und beruflichen Scheitern bedrohten Uni-Dozenten (...) besetzt von Ditfurth eine vakante Stelle unter den literarischen Ermittlern."
Nordkurier
"Der erste Krimi überhaupt mit einem Historiker als Detektiv"
Lübecker Nachrichten
"Kunststück bravourös gelungen"
dpa
"Einen Stachelmann erfindet man schließlich nicht alle Tage."
Kölner Stadt-Anzeiger
"Makellos spannendes Werk"
Hersfelder Zeitung
"Es ist eines dieser seltenen Bücher, bei denen man nicht nur gut unterhalten wird, sondern auch noch viel Geschichtswissen vermittelt bekommt."
Pforzheimer Zeitung
"Eine wirklich neuartige Figur in der Krimiwelt"
P. S.
"Vermag die Lektüre ums bittere Erbe der Naziväter angenehm leichtgängig zu unterhalten"
Bremer
"Unnachahmlich"
Buchmarkt
Mein erster Gedanke ist, du wirst diesen Tag nicht überleben. Ich bleibe eine Weile im Bett liegen. Übelkeit steigt hoch, mit ihr der Nachgeschmack des Weinbrands. Ich bilde mir ein, mein Körper werde sich an die Trinkerei gewöhnen, aber bisher hat er es nicht getan. Und nun ist es wohl zu spät.
Als ich die Augen wieder öffne, blendet mich das Licht. Es strahlt durch einen Schlitz zwischen den Vorhängen aufs Bett. Dann fällt mir ein, der Führer ist tot. Ich setze mich auf die Bettkante und schüttele den Kopf. Es ist unwirklich. Das Attentat gestern hat mich nicht überrascht, ich war unterrichtet von Anfang an. Nicht in allen Einzelheiten, aber dass Stauffenberg den Staatsstreich plante, begriff, wer eins und eins zusammenzählen kann. Doch mich überrascht, wie kalt mich Hitlers Tod lässt. Wenn so einer stirbt, glaubt man, die Erde müsse beben. Draußen zwitschern Vögel. Elfeinhalb Jahre hatte Hitler über mein Leben bestimmt. Nun ist er weg. Einfach so.
Mein linker Fuß schmerzt. Als ich hinschaue, entdecke ich wieder einmal, dass ich keinen linken Fuß mehr habe. Das Bein ist unter dem Knie amputiert worden in der Kursker Schlacht. Seitdem geht es abwärts mit mir und mit Deutschland. Die Prothese lehnt am Fußende des Betts.
Generaloberst Fromm, der Befehlshaber des Ersatzheeres, hat mich und ein paar andere gestern Nacht nach Hause geschickt. Er sagte, es sei gut, wenn ein paar am Morgen ausgeschlafen im Bendlerblock erschienen. Die Operation Walküre sei gut angelaufen. Ich fand es merkwürdig, aber was blieb mir übrig? Befehl ist Befehl, auch unter Verschwörern. So nahm ich die Untergrundbahn zum Thielplatz und überlegte, wie ich meinen Kopf retten könnte. Mir fiel nichts ein. Siegten die Stauffenberg und Goerdeler, dann würden sich mich kriegen als Müllers Spitzel. Ein V-Mann der Gestapo hat schlechte Karten, wenn die Rachsüchtigen Opfer suchen. Geht der Putsch schief, dann wird mich Gestapo-Müller ans Kreuz nageln, weil ich nicht berichtet habe, dass Stauffenberg Hitler in die Luft sprengen will. So ist das in Deutschland, wenn man glaubt, selbst entscheiden zu können, was richtig sei und was falsch. Es hatte mehr dafür gesprochen, Hitler zu töten, als ihn am Leben zu lassen. Doch hatte ich in den Monaten davor genug an die Gestapo gemeldet, um mich zu wundern, dass den Verschwörern nichts geschehen war. Gut, Goerdeler suchten sie seit ein paar Tagen. Aber der hatte sich auffällig benommen. Eine Denkschrift nach der anderen, geheime Briefe, Ministerlisten und Eroberungspläne.
Ich schnalle die Prothese ans Knie und humpele in die Küche. In der Küche finde ich ein Stück trockenes Brot. Ich schmiere Margarine darauf und kaue langsam, während mein Hirn anfängt zu arbeiten. Ich trinke ein Glas Wasser gegen den Brand in meinem Hals. Als ich im Bad fertig bin, humpele ich die Treppe hinunter. Unten wartet schon der Blockwart und Hausmeister, Herr Sobieray. Der ist in Ordnung, weiß, dass ich Feindsender höre, und tut so, als kriegte er es nicht mit.
"Ob wir den Krieg noch gewinnen, Herr Major?", fragt er leise, damit keiner es hört.
Er hat wohl gestern aus dem Wehrmachtbericht herausgelesen, dass es schlecht steht um das Großdeutsche Reich. Im Westen sind Amerikaner und Engländer gelandet. Von wegen, wir treiben sie ins Meer. Im Osten drängt der Russe auf die Reichsgrenze. Die Heeresgruppe Mitte ist zerschlagen. Sobieray weiß noch nicht, dass der Führer tot ist. Er wird es heute erfahren.
"Es sieht schlecht aus, Herr Sobieray."
"Aber der Führer wird einen Weg finden, wie er immer einen gefunden hat."
"Bestimmt", antworte ich und weiß doch, dass der Mann mir nicht glaubt. Was würde er sagen, wenn er schon wüsste, dass Hitler in die Luft gesprengt worden ist? Und dass die neue Regierung aus Männern besteht, die sich nicht einig sind.
Ich mache mich auf den Weg zur U-Bahn-Station. Ich kann schon ganz gut laufen mit der Prothese und dem Stock. Die Leute sehen einen hochdekorierten einbeinigen Panzer-Major, das beeindruckt selbst die Uniform-gewöhnten Deutschen ein wenig. Immerhin soweit, dass ich mich um einen Sitzplatz in der Bahn nicht sorgen muss.
Während der Zug durch die Stadt rattert, betrachte ich die müden Gesichter der Fahrgäste. Wie gut, dass ich mein Gesicht nicht sehe. Draußen Ruinen und Schutt, Spuren der Bombenangriffe. Aber Berlin ist zäh. In letzter Zeit sind die Bomber seltener gekommen, die Alliierten kämpfen um Caen und St. Lô, sie brauchen ihre Flieger, um unsere Stellungen dort in Stücke zu hauen. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder auf unsere Städte losgelassen werden.
Die U-Bahn fährt in Gleisdreieck ein. Menschen drängen sich hinaus, Menschen drängen sich hinein, Uniformen, Frauen auf dem Weg zur Arbeit. Es ist jetzt schon schwül, ich schwitze, die Luft ist stickig.
Ein paar Straßen weiter liegt die Bar, wo mich das Verhängnis gepackt hat. Ich weiß nicht genau, was passiert ist. Ich hatte getrunken. Und dann soll ich gesagt haben, der Führer sei Schuld an den Niederlagen im Osten. Der Gestapo-Offizier, der am anderen Morgen vor meiner Tür stand, zitierte: "Wochenlang die Schlacht hinauszögern, um die modernsten Panzer an die Front zu bringen. Aber uns dann in Stahlsärge setzen, die nach ein paar Metern liegen bleiben. Und Ersatzteile, so was brauchen wir nicht. Wir siegen ja nicht durch unsere Waffen, sondern durch die Kraft des Willens." Und noch ein paar Sätze dieses Kalibers, die jeden vors Erschießungskommando bringen würden. Mich haben sie nicht erschossen, sondern angeworben. "Mit dem Erschießen warten wir noch bisschen. Wenn Sie falsch berichten, sind Sie fällig. Wir merken das", sagte der Gestapo-Offizier; er sah gut aus und hatte kalte Augen. "Sie sind nicht der einzige, der für uns arbeitet." Sie setzten mich an auf die Offiziere des Ersatzheeres im Bendlerblock. "Da halten sich ein paar für schlauer als der Führer", sagte der Gestapo-Offizier.
Wie die Gestapo das gedreht hat, weiß ich nicht. Aber schon ein paar Tage nach dem Gespräch kriegte ich einen Brief. Ich sei reaktiviert und zum Ersatzheer versetzt. Seitdem wundere ich mich, dass meinen Berichten keine Verhaftungen folgen. Noch mehr staunte ich, als zwei Verschwörer, der Rechtsanwalt Carl Langbehn und der von Göring ernannte preußische Finanzminister Johannes Popitz, zu Himmler gingen, um ihn zu umgarnen. Der Reichsführer habe sich freundlich alles angehört, ein paar Mal genickt. Es passierte immer noch nichts, obwohl die Verschwörer sich auch weiterhin fast so verhielten, als wollten sie erwischt werden. Und dann fiel mir die Kopie eines Briefs von Goerdeler an Feldmarschall von Kluge in die Hände, in dem eine Zusammenarbeit mit dem Reichsführer SS und Goebbels angedeutet wird: "Ich kann Ihnen auch, wenn Sie es wollen, Herrn Goebbels und Herrn Himmler zum Bundesgenossen machen; denn auch diese beiden Männer haben längst begriffen, dass sie mit Hitler verloren sind." Wenn ich nachts trinke, um Schlaf zu finden, male ich mir manchmal aus, wie Himmler in seinem Sonderzug "Heinrich" in Ostpreußen sitzt und an Strippen zieht. Er weiß, es geht zu Ende. Und er will seinen Kopf retten. Was, verdammt, hat er vor?
Vor dem Bendlerblock drohen Tiger-Panzer, graue Kolosse mit Balkenkreuz, die Besatzungen lungern daneben herum. Sie sind gefechtsbereit. Im Hof stehen zwei Infanteriekompanien in Reih und Glied. Als ich das Gebäude betrete, ergreift mich eine düstere Stimmung. Äußerlich ist alles wie sonst. Ich humpele die Treppe hoch. Auf den Gängen eilen Uniformierte aus Zimmern in Zimmer. Vor meinem Dienstzimmer stehen Kameraden und diskutieren. Ich höre "Fliegerbombe". Dann lacht einer. Es klingt fast hysterisch. Ein anderer: "Und wenn Himmler ..." Als sie mich sehen, grüßen sie und gehen den Gang hinunter. Ich habe gerade die Tür geschlossen, da klingelt das Telefon auf dem Schreibtisch. "Generaloberst Fromm wünscht Sie zu sehen", sagt eine mir unbekannte Stimme.
Fromm geht auf und ab in seinem Dienstzimmer. "Sie waren Geschäftsführer eines Betriebs vor Ihrem Eintritt in die Wehrmacht." Es ist keine Frage, sondern eine Feststellung.
Jetzt sehe ich die Akte auf seinem Schreibtisch. Meine Personalakte. Mir wird kalt. Sie haben dich, jetzt machen sie dich fertig.
"Wir brauchen hier jeden. Sie werden Sekretär der neuen Regierung, jedenfalls für eine Übergangszeit. Und Sie vergessen nicht, woher Sie kommen. Verstanden, Herr Rettheim?"
Zuerst verstehe ich, dass er mir doch nicht an den Kragen will.
"Jawohl, Herr Generaloberst."
"Gut, in einer halben Stunde trifft sich die" - er zögert, kratzt sich am Mundwinkel - "provisorische Regierung in diesem Zimmer. Ich möchte, dass Sie dabei sind und protokollieren." Er schaut mich an, sieht meinen Blick. "Unser Reichskanzler wünscht es so. Wir wissen nicht, ob die Damen alles für sich behalten können. Kleinster Kreis, exklusive Runde." Er wirft mir einen wichtigtuerischen Blick zu. "In einer halben Stunde an diesem Ort." Er zeigt mir den Rücken, schaut aus dem Fenster.
Auf dem Gang rennt mich fast Stauffenberg um. Er schaut mich nur kurz zornig an. Ohne zu klopfen, geht er zu Fromm hinein. Er wirft die Tür hinter sich zu. Dann steht plötzlich ein Zivilist vor mir, graue Haare, Schnauzer, buschige Augenbrauen. "Wo geht es hier zu Oberst Stauffenberg?" Er klingt erschöpft.
"Wen darf ich melden?"
"Goerdeler."
Der neue Reichskanzler. Der Mann sieht eher unscheinbar aus. Aber was sagt das schon?
Ich klopfe bei Fromm. Drinnen laute Stimmen. Als niemand "Herein!" ruft, drücke ich die Klinke. Ich höre Stauffenberg brüllen: "Sie haben gewartet, ich habe gehandelt ..." Er blickt mich an. Wütend. Er hat Ränder unter den Augen.
"Herr Goerdeler", sage ich.
"Bitten Sie ihn herein", erwidert Stauffenberg.
"Aber ...", sagt Fromm. Dann schweigt er.
Ich bitte Goerdeler in Fromms Dienstzimmer.
An meinem Schreibtisch warte ich, bis die Regierungssitzung beginnen soll. Gedankenfetzen drehen sich in meinem Kopf wie in einem Karussell. Wenn Hausmeister Sobieray wüsste, was für ein Durcheinander in der neuen Machtzentrale herrscht, er würde den Rest seiner Zuversicht verlieren. Immer wieder taucht Himmlers Dorfschulmeistervisage auf. Er hat eine Million gut bewaffneter Männer unter seinem Kommando. Reicht der Rückhalt der Verschwörer in der Wehrmacht aus gegen diese Bedrohung? Oder zieht Himmler mit? Aber die Alliierten werden seinen Kopf verlangen. Der Russe steht vor Ostpreußen, die Heeresgruppe Mitte ein Trümmerhaufen, die Heeresgruppe Nord wird ihr dank der Feldherrnweisheit des Führers folgen, wenn sie nicht sofort zurückgezogen wird. Die Front im Westen wird vielleicht noch zwei, drei Wochen halten. Das wissen hier alle. Bald veranstalten die Alliierten ein Wettrennen, wer zuerst den Fuß aufs Reichsgebiet setzt. Bisher haben die Russen die Nase vorn.
Ich schaue auf die Uhr, ich muss los. Ich höre schon in Fromms Vorzimmer erregte Stimmen. Als ich die Tür zum Büro öffne, schlägt mir Zigarettenqualm entgegen. Einen Augenblick schweigen die Herren, als wären sie ertappt worden. Ich setzte mich auf einen freien Stuhl neben der Tür und lege den Schreibblock auf die Knie.
"Meine Herren", sagt Generaloberst Beck, der sich nun Reichsstatthalter nennt. "Meine Herren, beruhigen Sie sich doch."
Ich blicke mich um. Die meisten Gesichter sind mir fremd. Ich erkenne Goerdeler wieder, er hat ein rotes Gesicht und müde Augen. Er lehnt sich zurück in seinem Sessel und starrt irgendwohin. Stauffenberg sitzt ihm schräg gegenüber auf der Vorderkante eines Stuhls, der jeden Augenblick umkippen kann.
Wieder öffnet sich die Tür. Stauffenbergs Adjutant, Oberleutnant von Haeften, reicht dem Oberst ein Blatt. Stauffenberg überfliegt es, dann sagt er, als Haeften gegangen ist: "Die Heeresgruppe Nord hat sich in der Nacht vom Feind gelöst."
Ein Schlag. Dann sehe ich an der Wand Witzleben sitzen. Er schlägt ein zweites Mal mit der Faust auf einen Beistelltisch. "Herr Stauffenberg, ist Ihnen bekannt, wer der Oberbefehlshaber der Wehrmacht ist? Sie sind anmaßend. Es kann nicht sein, dass der Dienstrang nicht mehr geachtet wird. Dann geht es drunter und drüber." Schärfe liegt in der Stimme.
Stauffenberg wischt sich Schweiß von der Stirn. Dann lüftet er die Augenklappe und tupft mit dem Taschentuch darunter. "Jawohl, Herr Generalfeldmarschall", sagt er müde. Aber er ist nicht beeindruckt. Obwohl im Rang niedriger, fühlt er sich überlegen. Er hat Hitler getötet.
"Gisevius", sagt Goerdeler und wendet sich an einen groß gewachsenen jungen Mann mit intelligentem Gesicht. "Wir brauchen bald eine Stellungnahme der Alliierten. Können wir das beschleunigen?"
Der Lange zuckt die Achseln. Dann steht er auf und geht hinaus.
Goerdeler sagt: "Wir müssen uns endlich an das Volk wenden."
Stauffenberg fährt dazwischen: "Das muss der Herr Generaloberst Beck machen."
Beck zieht ein Papier aus dem Stapel auf dem Tisch vor ihm und liest: "Hitler ist einem Attentat zum Opfer gefallen. Die Wehrmacht ..."
"Wenn Sie das sagen, haben wir morgen den Bürgerkrieg", sagt ein Mann in Zivil. Ich bilde mir ein, das Gesicht schon einmal gesehen zu haben. Vielleicht in der Zeitung oder Wochenschau.
"Aber so ähnlich steht es in allen unseren vorbereiteten Aufrufen, in denen des Herrn Reichstatthalters, des Herrn Reichskanzlers wie in denen von Oberst Stauffenberg", sagt General Olbricht, der Stabschef. Er ist ratlos.
Der Mann in Zivil schüttelt den Kopf: "Graf Helldorff ist der gleichen Meinung. Bürgerkrieg."
"Sie sind sicher, Herr Nebe?"
SS-Gruppenführer Arthur Nebe also, der Leiter des Reichskriminalpolizeiamts. Er und Berlins Polizeipräsident Helldorff sollen die Polizei dem neuen Oberkommando der Wehrmacht unterstellen. Über Nebe wird erzählt, er sei als Einsatzgruppenleiter mit Mordauftrag im Osten gewesen. Und Helldorff war SA-Schläger, bevor Göring ihn zum Polizeipräsidenten von Berlin ernannt hat.
"Fliegerbombe", sagt Nebe. "Eine englische Fliegerbombe."
"Und eine kleine Gruppe gewissenloser Parteibonzen will die Situation ausnutzen, um die Macht zu ergreifen und der Wehrmacht in den Rücken zu fallen." Das ergänzt Gisevius, der zurückgekommen ist, ohne dass ich es gemerkt habe.
Schweigen.
"Gut, wir machen es so. Hauptsache, der Herr Reichsstatthalter sagt bald etwas." Stauffenberg ist das Gerede leid.
Goerdeler sagt etwas Unverständliches. Es klingt nicht freundlich. Beck schaut sich um, er wirkt hilflos. Goerdeler sagt: "Aber machen Sie es kurz, wenige Sätze nur."
Die Tür geht auf, ein Oberleutnant. "Telefon, für den Herrn Generaloberst Beck, der Reichsführer."
Schlagartig herrscht Ruhe.
Beck steht auf, wischt sich über die Stirn und geht hinaus. Alle warten. Generaloberst Hoepner, der 1941 die Panzer bis kurz vor Moskau geführt hatte, klopft mit den Fingernägeln einen Takt auf dem Tisch. Er ist bleich.
Dann wendet sich Goerdeler an Gisevius: "Und. Was sagen die Alliierten?"
"Nichts. Noch nichts."
"Das ist ein gutes Zeichen", sagt Stauffenberg. "Sie hätten ja auch einfach wiederholen können, was sie seit Casablanca erklären: bedingungslose Kapitulation."
"Wir müssen im Westen schnell Frieden machen und dann die Wehrmacht nach dem Osten werfen", sagt Goerdeler.
"Zu spät", sagt Olbricht.
Stauffenberg schweigt in sich hinein.
Goerdeler steht auf und geht ein paar Schritte. Er stellt sich vor Witzleben. "Sie dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren wie Ludendorff 1918. Noch ist nichts verloren. Wenn wir unsere Friedensvorschläge präsentieren und die Truppe zielstrebig geführt wird, dann ist es noch nicht zu Ende."
Witzlebens Gesicht rötet sich. Er schüttelt den Kopf. Sein Gesicht zeigt, was er von Zivilisten hält, die Feldmarschällen militärische Ratschläge geben.
"Glauben Sie mir, wenn ich die Volksgenossen auf den Kampf gegen den Bolschewismus einschwöre, dann wird ein Ruck durch das Reich gehen." Goerdeler kratzt sich an der Nase. Dann fragt er: "Warum kommt Speer nicht?"
Keiner antwortet.
Beck ist plötzlich wieder im Zimmer. Alle schauen ihn erwartungsvoll an.
"Himmler gratuliert", sagt Beck. "Er hat sich mir unterstellt."
"Dann befehlen Sie ihn nach Berlin, damit wir den Massenmörder verhaften können", sagt Stauffenberg heftig.
Goerdeler räuspert sich.
Fromm sagt leise: "Wir brauchen die SS-Divisionen an der Front. Und wenn in der Heimat ein Aufstand losbricht?"
Nebe sagt: "Wir müssen Himmler ausschalten. Und Kaltenbrunner. Warum ist noch kein Stoßtrupp in der Prinz-Albrecht-Straße?"
Beck steht auf und winkt Gisevius zu sich. "Wir gehen zum Rundfunk", sagt er. "Das ist jetzt das Wichtigste."
Ein Zivilist kommt durch die geöffnete Tür. Er ist abgehetzt. Er sitzt noch nicht, da fragt Stauffenberg: "Die Engländer, Churchill? Sag schon, Adam."
Der Zivilist erwidert mit tonloser Stimme: "Bedingungslose Kapitulation. Auslieferung der Kriegsverbrecher."
"Nein!" Goerdeler stößt es heraus. "Niemals!"
Goerdeler steht auf. Er setzt sich wieder. Er hustet. Dann sagt er zu Witzleben: "Hat sich Kluge Ihnen unterstellt? Oder dem Herrn Reichsstatthalter?"
Witzleben erwidert verächtlich: "Der kluge Hans hat sich Bedenkzeit erbeten."
"Der Oberbefehlshaber West denkt immer noch, er kann einer Entscheidung ausweichen. Er wartet, bis sich die stärkeren Bataillone zeigen. Lösen Sie ihn ab. Was ist mit Keitel?" Stauffenberg springt auf und verlässt den Raum.
"Von Keitel ist nichts zu hören, seit der Herr Reichsstatthalter ihn abgesetzt hat", sagt Witzleben.
"Wir dürfen Himmler nicht festsetzen. Keiner weiß, was dann passiert. Wir müssen alle Kräfte konzentrieren, um einen ehrenhaften Frieden zu erkämpfen. Dazu brauchen wir auch die Waffen-SS. Natürlich müssen wir Hitlers Verbrechen aufklären. Nach dem Krieg." Goerdeler wirft einen Blick auf Nebe. Mir scheint, der ist noch bleicher geworden. "Verdienste in diesen Tagen werden angerechnet", sagt Goerdeler.
Mir wird übel. Wenn die SS überlebt, dann überlebt auch Gestapo-Müller. Ich habe ihn verraten, wie ich zuvor die Verschwörer verraten habe. Das kann nicht gut gehen. Müller sei rachsüchtig, sagt man.
Stauffenberg betritt das Zimmer. Hinter ihm erscheint ein Mann, groß und kräftig. Den habe ich schon einmal gesehen, vor vielen Jahren.
Goerdeler erhebt sich und geht auf den Mann zu mit ausgestreckter Hand. "Ich freue mich, Herr Dr. Leber, dass Sie in Freiheit sind. Herr Reichsinnenminister, bitte nehmen Sie Platz."
Leber drückt Stauffenberg die Hand und setzt sich. Alle Augen richten sich auf ihn. "Kaltenbrunner hat mich aus der Zelle geholt", sagt er in einem Ton, als glaubte er es selbst nicht. "Er hat mich gebeten" - er betont "gebeten" -, "Ihnen mitzuteilen, das Reichssicherheitshauptamt unterstelle sich ohne Vorbehalte der neuen Regierung ..."
"Warum ist Kaltenbrunner noch in Freiheit?" Stauffenberg brüllt fast. "Und Goebbels? Sitzt wenigstens der noch im Gefängnis? Wo ist eigentlich dieser Major Remer mit seinem Wachregiment? Und von dem Herrn Stadtkommandanten hört man auch nichts. Gut, dass wenigstens die Panzerschule hier ist."
Leber fährt fort: "Kaltenbrunner sagt, Himmler habe ihm befohlen, der neuen Regierung mit allen Kräften zu helfen. Goebbels sitzt im Keller der Prinz-Albrecht-Straße."
Stauffenberg lacht spöttisch. Wieder öffnet sich die Tür. Ein kleingewachsener Mann bleibt im Türrahmen stehen. "Herr Popitz, Ihr Freund hat sich gemeldet", höhnt Stauffenberg statt einer Begrüßung. Dann steht er auf und geht hinaus.
Goerdeler erhebt sich und begrüßt den Neuankömmling. "Unser Kultusminister", sagt er.
Popitz verlässt das Zimmer und kehrt mit einem Stuhl zurück.
"Wir müssen jetzt zu Entscheidungen kommen", sagt Goerdeler.
Stauffenberg kehrt zurück. Er schwitzt.
"Wir müssen entscheiden", wiederholt Goerdeler.
Die Tür geht auf. "Der Generaloberst im Radio", ruft einer.
Aus dem Vorzimmer ertönt Becks Stimme. Er spricht bedächtig. Der Führer sei den Heldentod gestorben. Eine Clique von Parteifunktionären habe den Staatsstreich versucht. Aber die Wehrmacht habe Recht und Ordnung wieder hergestellt. Jetzt müsse das deutsche Volk zusammenhalten und gemeinsam mit den anderen Völkern der zivilisierten Welt den Ansturm des Bolschewismus abwehren.
Stauffenberg schnauft. "Das nimmt uns die Alternative", ruft er dazwischen. "Das Druckmittel gegenüber Churchill und Roosevelt. Wie kann man die Feinde gegeneinander ausspielen, wenn man sich öffentlich auf eine Seite festlegt?"
"Aber Herr Stauffenberg", sagt Goerdeler. "Sie haben doch vorhin zugestimmt. Wir können uns nicht mit den Bolschewisten verbünden. Wir würden eine Diktatur gegen eine andere austauschen. Stalin ist ein Verbrecher, nicht anders als Hitler. Da hätten wir den Staatsstreich gar nicht machen müssen."
Leber räuspert sich. "Es geht nicht ohne Gewerkschaften und ohne Kommunisten. Wenn wir die Arbeiter nicht auf unserer Seite haben, werden wir scheitern."
"Wer sagt denn, dass die Arbeiter nicht weiter den Nazis folgen?", wirft Trott zu Solz ein.
"Wenn die Kommunisten mit uns gehen, wird das seinen Eindruck auf Stalin nicht verfehlen", erwidert Leber.
"Aber wir können nicht die Kommunisten hereinnehmen und gleichzeitig den Bolschewismus bekämpfen", sagt Goerdeler. "Aber ich weiß, dass wir Kontaktversuche nicht einfach abweisen können." Er ist sich unschlüssig.
Ich versuche alle Argumente mitzuschreiben. Je mehr ich protokolliere, umso weniger weiß ich, welchen Sinn es haben soll. Immer wieder fällt mir Sobieray ein. Was würde er über das Attentat denken, über die Lüge, die die neue Regierung darüber verbreitet, und über die Verschwörer, die sich nur einig waren, als es gegen Hitler ging?
Wieder der Oberleutnant aus dem Vorzimmer. Er reicht Stauffenberg ein Papier. Der liest es und gibt es Witzleben. Der Feldmarschall wirft einen Blick auf das Papier: "Die Heeresgruppe Mitte hat sich der Regierung und meinem Oberbefehl unterstellt."
Goerdelers Gesicht zeigt ein Lächeln.
"Tresckow", sagt Stauffenberg. Er wendet sich an Witzleben. "Feldmarschall Model erwartet Ihre Befehle. Geben Sie ihm operative Freiheit."
Witzleben sagt kalt: "Ich weiß, was meine Aufgabe ist, Herr Oberst Stauffenberg." Er steht auf und verlässt den Raum.
"Herr Stauffenberg, respektieren Sie bitte den Rang des Feldmarschalls. Er ist der Oberbefehlshaber", sagt Goerdeler. Und jeder versteht, er meint auch sich. Er denkt einen Augenblick nach, dann sagt er: "Wir müssen einen Beschluss zur Judenfrage treffen. Die Alliierten erwarten das. Wir müssen verdeutlichen, dass wir mit den Morden von Hitler und Himmler nichts zu tun haben. Umso mehr, als wir gezwungen sein könnten, eine Zeit lang mit Himmler zu paktieren, wenn wir den Bürgerkrieg verhindern wollen."
"Eine englische Fliegerbombe könnte auch den Reichsführer treffen." Gisevius steht in der Tür, er sagt es atemlos.
"Dann haben wir es mit Kaltenbrunner zu tun", sagt Olbricht.
Fromm wirft ein: "Oder mit Wolff."
"Himmler ist zu gut bewacht, er lässt keinen an sich heran. Jetzt erst recht nicht." Stauffenberg hebt die Hand und lässt sie aufs Knie fallen. Dann wischt er sich Schweiß von der Stirn.
Witzleben kehrt zurück.
Auch auf Goerdelers Stirn perlen Tropfen. "Zur Judenfrage. Die Juden brauchen einen eigenen Staat. Es ist ihnen nun nicht mehr zuzumuten, als Gastvolk in Europa zu leben. Hier bleiben sie ewig ein Fremdkörper. Wir sollten als Ausnahmereglung dekorierten Frontkämpfern des Weltkriegs die deutsche Staatsbürgerschaft ermöglichen."
"Wenn es die noch gibt, diese Frontkämpfer", sagt Olbricht.
"Das ist doch jetzt nicht vordringlich", sagt Stauffenberg. "Die Fronten brechen zusammen. Herr Generalfeldmarschall, was gedenken Sie an der Ostfront zu tun? Der Russe drückt."
"Ich werde den Herrn von Manstein zum Oberost ernennen", sagt Witzleben.
"Wenn der sich ernennen lässt", wirft Fromm ein.
"Wo ist Speer?", fragt Goerdeler. Er schaut sich um. Aber niemand antwortet.
Goerdeler wendet sich an mich. "Haben Sie meine Ausführung zur Judenfrage protokolliert?" Als ich bejahe, sagt er: "Können Sie daraus eine Erklärung formulieren. Bis morgen früh?"
"Ja, Herr Reichskanzler."
Popitz sagt: "Vielleicht sollte Gisevius das übernehmen?"
"Den brauche ich für andere Aufgaben", sagt Goerdeler. "Wir müssen einen Friedensplan entwickeln."
"Wie soll der aussehen, Herr Reichskanzler? Vielleicht weihen Sie uns ein?" Stauffenberg lässt sich ansehen, dass er seinen Zorn unterdrückt.
"Im Osten Grenzen von 1914, direkte Verhandlungen mit Frankreich über Elsass-Lothringen. Österreich bleibt beim Reich. Südtirol wird Deutschland zugeschlagen. Keine Reparationen. Deutschland richtet seine Kriegsverbrecher selbst."
Witzleben schnaubt.
Beck steht in der Tür, er hat zugehört. Er hat große Augen, sagt aber nichts.
"Weiter Kampf gegen den Bolschewismus", sagt Stauffenberg. "Das war nicht vereinbart."
"Der Herr Reichsstatthalter amtiert als Reichspräsident, bis die endgültige Staatsform festgelegt und eine legitime Regierung ernannt ist. Um einen Bürgerkrieg zu vermeiden, hat der Reichspräsident zum Volk gesprochen." Gisevius sagt es kalt und bestimmt.
"Ich gratuliere dem Herrn Reichspräsidenten zu seiner Ansprache", sagt Goerdeler.
"Die Deutschen würden Putschisten nicht folgen", Hoepner lässt sich anmerken, dass er auch etwas sagen wollte.
"Herr Reichskanzler, Sie sollten jetzt Ihren Friedensplan formulieren, damit wir bald über ihn beschließen und den Feinden übermitteln können. Nehmen Sie den Herrn Gisevius mit. Und die anderen Herren haben genug zu tun. Ich vertage die Sitzung bis morgen früh", sagt Beck.
Auf der Heimfahrt in der U-Bahn schaue ich in müde Gesichter. Die Leute wissen, dass ihr Führer tot ist. Ich hatte mir eingebildet, ein solcher Umbruch müsse den Menschen anzusehen sein. Ich erinnere mich der Hysterie bei Hitler-Auftritten überall in Deutschland vor dem Krieg.
Im Hausflur treffe ich Sobieray. Er repariert einen Briefkasten. Als er mich sieht, stellt er sich mir in den Weg. "Es ist schrecklich. Der Führer. Wie konnte das geschehen?"
"Ja. Eine englische Bombe", sage ich. Ich will trinken und nicht tratschen.
"Und der Wehrmachtbericht ist auch furchtbar. Überall geht es zurück. Ob wir den Krieg verlieren? Stellen Sie sich vor, die Russen in Berlin." Sobieray schweigt einen Augenblick, er malt sich aus, was er fürchtet. "Wenn der Führer noch leben würde, könnte das nicht passieren. Er hat immer einen Weg gefunden."
Die Welt, 17. Juli 2004